Pfalzmarkt schafft Artenvielfalt
Die Pfalz als Hotspot der Biodiversität
Nicht nur für freizeitliebende Menschen, ist die pfälzische Rheinebene ein bekannter Hotspot sondern auch für wärmeliebende und oft seltene Arten. Die Wärmegunst wissen auch unsere landwirtschaftlichen Betriebe seit Generationen zu schätzen und so wundert es nicht, dass gerade hier intensiv und nachhaltig Ackerbau und Gemüseanbau betrieben werden. Dabei verdanken viele Arten ihr Vorkommen bei uns der Tatsache, dass der Mensch schon seit Urzeiten Ackerbau und Viehzucht betreibt.
Wälder, Ackerflächen und Wiesenlandschaften bieten günstige Lebensbedingungen für viele Tiere und Pflanzen. Dass einige Tier- und Pflanzenarten allerdings auch bei uns seltener werden, hat unterschiedliche Gründe. Andere Bewirtschaftungsmethoden belasten die Wald-, Wiesen- und Ackerflächen intensiver als früher.
In den vergangenen 50 Jahren wurden Flächen durch die zunehmende Bebauung immer stärker versiegelt. Zudem haben die verbliebenen Rückzugsgebiete und Zwischenflächen für seltene und gefährdete Arten an Qualität eingebüßt: Die Biotope sind nur noch unzureichend miteinander vernetzt, was zur Isolation der Populationen führt und damit das Risiko erhöht, dass die Pflanzen und Tiere aussterben. Der Pfalzmarkt ist sich dieser Problematik bewusst. Für uns ist es eine zentrale Aufgabe, die Lebensräume für Tiere und Pflanzen in der offenen Kulturlandschaft wieder zu verbessern und für kommende Generationen zu erhalten.
Maßnahmen zu Erhalt und Förderung der Artenvielfalt in der Pfalz
Mit „Pfalzmarkt schafft Artenvielfalt“ haben wir zunächst neun Artenvielfalt-Flächen auf rund sieben Hektar in der Vorderpfalz geschaffen auf denen Landwirte und Spezialisten vom Pfalzmarkt gemeinsam mit Ökologen, Maßnahmen zum Erhalt der Artenvielfalt erproben.
Ziel des Projektes ist es, nicht nur das Ökosystem durch bestmögliche Maßnahmen zu stärken und die Artendiversität zu fördern, das Projekt des Pfalzmarkts und seiner Erzeuger soll auch immer mehr Landwirte dazu anregen, sich für den Erhalt des Artenreichtums und der Biodiversität in der Feldflur einzusetzen.
Was bedeutet Biodiversität?
Biodiversität umfasst die biologische Vielfalt auf der Erde und ist damit ein Bewertungsmaßstab für die Fülle unterschiedlichen Lebens in einem bestimmten Landschaftsraum oder geografisch begrenzten Gebiet. Biologische Vielfalt wird auf unterschiedlichen Ebenen erfasst:
• Vielfalt der Ökosysteme (Lebensräume wie Wasser, Wald, Alpiner Raum)
• Artenvielfalt (Tiere, Pflanzen, Pilze, Mikroorganismen)
• Genetische Vielfalt innerhalb einer Art (Rassen oder Sorten von wildlebenden und genutzten Arten)
Was ist Agrarbiodiversität?
Bei der Agrobiodiversität handelt es sich um alle Bereiche der biologischen Vielfalt, die für Ernährung und Landwirtschaft von Bedeutung sind.
Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft umfasst Agrobiodiversität alle Komponenten der biologischen Vielfalt, die für Ernährung und Landwirtschaft sowie das Funktionieren der Agrarökosysteme von Bedeutung sind. Dazu gehören alle Zuchtformen von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen sowie ihre verwandten Wildarten.
Zur Agrobiodiversität zählen weiterhin auch die Elemente der biologischen Vielfalt, die ökologische Dienstleistungen in Agrarökosystemen gewährleisten. Dazu zählen der Kreislauf der Nährstoffe, die Regulierung von Kulturschädlingen und Krankheiten, die Bestäubung, den Erhalt örtlicher Wildtier und -pflanzenpopulationen, den Schutz von Wassereinzugsgebieten, den Erosionsschutz und die Klimaregulation sowie anderes mehr.
Was versteht man unter Artenvielfalt?
Die Artenvielfalt bildet einen Teilbereich der biologischen Vielfalt. Es handelt sich um die Gesamtzahl an Arten, die in einem Gebiet vorkommen. Dazu zählen Tiere, Pflanzen, Pilze und Mikroorganismen).
Die Beschreibung von Arten ist eine der Hauptaufgaben der Biodiversitätsforschung. Hierzu werden Arten gesammelt, erfasst und wissenschaftlich beschrieben.
Unsere Artenvielfalt-Flächen im Überblick
Welche Schwerpunkte gesetzt werden, richtet sich nach dem natürlichen Potenzial der jeweiligen Flächen und ihrem Umfeld. Es werden deshalb auf den Flächen besondere Strukturen angelegt, die dort zu einer Aufwertung und Vernetzung mit angrenzenden Lebensräumen führen.
Dabei werden Ackerflächen bei Böhl-Iggelheim, Schauernheim, Maxdorf, Lambsheim, Mutterstadt und Haßloch nicht wie bisher als Gemüseanbauflächen genutzt, sondern auf ihnen erproben Landwirte des Pfalzmarktes gemeinsam mit Ökologen verschiedene Maßnahmen zur Förderung der Artenvielfalt. Für Insekten werden sogenannte Habitate, sprich „Wohnräume“, zum Überwintern gefördert. Für Vögel und Reptilien schaffen wir Gebiete, in denen diese sich vermehren können. Ebenso werden mehrjährige Blühflächen mit speziellem Saatgut angelegt.
Überblick Flächen und Lage
Standort | Koordinaten | Größe |
---|---|---|
Böhl | 49.384216, 8.286067 | 1.890 m² |
Iggelheim | 49.366554, 8.327332 | 10.500 m² |
Hochdorf | 49.403837, 8.28132 | 2.773 m² |
Dannstadt-Schauernheim | 49.442986, 8.305482 | 2.000 m² |
Lambsheim | 49.513412, 8.277141 | 8.000 m² |
Mutterstadt | 49.43515, 8.320729 | 10.000 m² |
Dannstadt-Schauernheim | 49.434769, 8.314442 | 9.615 m² |
Haßloch | 49.364113, 8.273929 | 12.117 m² |
Haßloch | 49.358833, 8.275939 | 17.266 m² |
Winden | 49.086563, 8.105129 | 8.355 m² |
Minfeld | 49.088643, 8.120673 | 9.305 m² |
Gesamtfläche | 91.821 m² |
Erforschung biologischer Vielfalt in der modernen Landwirtschaft
Experten verschiedener Tier- und Pflanzengruppen beobachten, was sich wie entwickelt und halten fest, welche Tiere und Pflanzen sich durch die Fördermaßnahmen neu ansiedeln und ob sich darunter schutzbedürftige, seltene und gefährdete Arten befinden.
Damit umfassende Aussagen möglich sind und als Besonderheit des Projektes, werden deutlich mehr Artengruppen untersucht als bei ähnlichen Projekten: Säugetiere, Vögel, Reptilien, Wildbienen, Solitäre Wespen, Schmetterlinge, Laufkäfer und Heuschrecken.
Bilder: Rosl Rößner, Ronald Burger (IFAUN), Oliver Röller (Natur Südwest)
Es ist wichtig zu wissen, wie die biologische Vielfalt an Arten auf neue Flächen übertragen werden können, die dann wieder neu für Summen, Brummen, Kriechen, Krabbeln, Wachsen und Gedeihen sorgen.
Welche Maßnahmen können Landwirte ergreifen, um Artenvielfalt zu fördern?
Generell gilt: Je mehr unterschiedliche Strukturen in Feld und Flur vorhanden sind, desto mehr Tier- und Pflanzenarten können passende Lebensräume finden. Einfluss auf die Biodiversität haben auch die Wahl der angebauten Kulturen und die Fruchtfolge.
Landwirte können beispielsweise durch die Anlage von hochwertigen Blühflächen als Nahrungsraum für Wildbienen, Schmetterlinge usw. auf ihren Betriebsflächen die Artenvielfalt fördern. Das kann im Rahmen von Greening-Maßnahmen (Klima- und Umweltschutz förderliche Bewirtschaftungsmethoden) oder zusätzlich als freiwillige Naturschutzleistung erfolgen.
Eine weitere Möglichkeit für Landwirte ist es, bei der Pflege und Entwicklung hochwertiger (ungenutzter) Zwischenflächen mitzuwirken. Das können Feldwege, Ackerrandstreifen und Feldhecken sein. Zu den spezielleren Artenschutzmaßnahmen zählt das Einbringen von besonderen Strukturen, wie Lesesteinhaufen, Totholz-Biotope oder Nisthilfen für Vögel und Insekten.
Wie hoch ist der Arbeitsaufwand in Anlage und Pflege von Blühflächen?
Da steckt schon einiges an Arbeit drin! Man muss eine für die Flora und Fauna wertvolle Blühfläche wie eine weitere Kultur verstehen. Es braucht bereits bei der Anlage Erfahrung. Das betrifft beispielsweise die Frage, wie das Saatbeet vorzubereiten ist und wann am besten ausgesät wird.
Gleiches gilt für die Auswahl des Saatguts und die passende Pflege der Fläche, damit das Blütenangebot möglichst lange im Jahr reichhaltig ist. Man kann Blühflächen daher nicht vollständig sich selbst überlassen. Sogenannte Schröpfschnitte helfen, unerwünschte Arten zurückzudrängen und die zuvor für die Flächen bestimmten Arten der Blühmischung zu fördern.
Wie sieht die Dokumentation der Entwicklung der Blühflächen konkret aus?
Wir untersuchen unterschiedliche Artengruppen, die jeweils andere Präferenzen haben: Mobile Insekten wie Tagfalter und Wildbienen können rasch neue Blütenangebote nutzen, wenn es in der Umgebung bereits Vorkommen gibt, Heuschrecken und Laufkäfer sind bessere Zeiger für Mikroklima und Mikrostrukturen in den Flächen. Vögel reagieren auf großräumige Landschaftsveränderungen. Die Untersuchungen werden mit Kescher, Lupe und Fernglas durchgeführt, bei den Laufkäfern sind zusätzlich Bodenfallen sinnvoll.
Ansonsten verzichten wir auf Fallen und bestimmen die Arten ganz klassisch nach ihren Merkmalen – im Gelände oder unter dem Stereomikroskop. Auf die Artbestimmung anhand der Gensequenzen („Barcoding“), die – mangels Artenkenner – immer häufiger angewandt wird, verzichten wir ebenfalls, weil uns die direkte Beobachtung und Bestimmung im Gelände wichtige Hinweise für die Förderung der Arten liefert. Die Untersuchungen werden uns in einigen Jahren zeigen, ob wieder mehr Arten in der Agrarlandschaft einen guten Lebensraum haben.
Was ist die Besonderheit im Projekt „Pfalzmarkt schafft Artenvielfalt“?
Die Initiative geht von den Landwirten selbst aus. Sie möchten zusammen mit ihrer Genossenschaft und weiteren Partnern die Artenvielfalt in ihren Anbaugebieten erhalten und fördern. Erkenntnisse darüber, wie dies in der Pfalz am besten umgesetzt werden kann, wird die Genossenschaft mithilfe von Partnern wie IFAUN und NATUR SÜDWEST zentral auswerten und jedem Genossenschaftsmitglied als Leitfaden zur Verfügung stellen. Es ist eine besondere Herausforderung in einem Gemüseanbaugebiet, Flächen zur Förderung von Biodiversität zu planen, da diese Sonderkulturen sehr empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen sind.
Besonders an diesem Projekt ist auch, dass wir versuchen werden, die Erkenntnisse zur Artenvielfalt einer Fläche für die Anlage neuer Flächen zu nutzen, z.B. durch Übertragung von Saatgut, Heu oder Bodenstreu. Ziel ist es die Artenvielfalt in der Pfalz dauerhaft zu erhalten.
Berichte und Funde
Besonderheiten der Pfälzer Kulturlandschaft
Die im bundesweiten Vergleich kleine Parzellierung der Ackerflächen führt dazu, dass trotz intensiver Nutzung, viele Randstukturen (Ackerränder, Strassenböschungen, Gräben) vorhanden sind, die als Trittsteinbiotope oder Vernetzungsachsen von vielen Arten genutzt werden können. Zwischen 2020-2023 wurden 180 verschiedene Arten Wildbienen und 93 Arten Wespen nachgewiesen.
Wildbienen
Auch bestandsbedrohte und hochgradig gefährdete Arten, wie die bundesweit vom Aussterben bedrohte Mohnbiene (Hoplitis papaveris), stark gefährdete Arten wie Gruben-Hummel (Bombus subterraneus), Glatte Langkopfschmalbiene (Lasioglossum clypeare) und Unscheinbare Schmalbiene (Lasioglossum pauperatum), gefährdete Arten wie die Schwarze Köhler Sandbiene (Andrena pilipes) oder Wicken-Langhornbiene (Eucera interrupta). Insgesamt sind 52 der 180 festgestellten Wildbienen-Arten bundesweit oder in Rheinland-Pfalz bestandsbedroht, 14 weitere Arten werden in der Vorwarnliste geführt. Demnach sind ein Drittel (35%) der in den Flächen dokumentierten Arten aufgrund besonderer Ansprüche bereits im Bestand bedroht oder weisen Bestandsrückänge auf, die zu Aufnahme in die Roten Listen führen könnten
Wespen
Hervorzuheben sind die Nachweise der solitären Faltenwespen Ancistroceus auctus (BRD: D), und Euodynerus dantici (BRD: 2, RP: 1), der Goldwespen Holopyga austrialis (BRD: G, RP: 2) und Holopyga fervida (BRD: 2, RP: 2), der Grabwespen Ectemnius fossorius (BRD: 1), Oxybelus mucronatus (BRD: 1) und Tachytes panzeri (BRD 2, RLP: 1). Insgesamt sind 32 der festgestellten Wespen-Arten bestandsbedroht und sechs weitere Arten werden in der Vorwarnliste geführt. Demnach sind 41% der nachgewiesenen Wespenarten als wertgebend zu bezeichnen, was die Bedeutung der Projekt-Flächen für Stechimmen belegt.
Nachtfalter
Bis 2022 wurden 80 verschiedene Arten Nachtfalter registriert, 2023 lag die Zahl sogar bei 230 Arten.
Wie der Purpurstreifenspanner (Rhodometra sacraria), der auf der Blühfläche bei Hochstadt nachgewiesen wurde. Eine südländische Art, die in Rheinland-Pfalz bisher selten nachgewiesen ist. Es gibt drei Meldungen seit 2000, aus den Jahren 2003, 2010 und 2017. Auf der Blühfläche bei Hochdorf und auf der Blühfläche bei Mutterstadt konnte der Kleinschmetterling Celypha rosaceana nachgewiesen werden. Letztmals wurde die Art vor 10 Jahren in Rheinland-Pfalz gefunden; das ist auch der einzige Nachweis seit 2000. Die Falter sind auffällig und gut erkennbar, deshalb ist anzunehmen, dass die Art wirklich selten ist.
Weitere Arten
Überraschend ist auch der Nachweis des sehr seltenen Laufkäfers Harpalus albanicus, der Regionen mit besonders trockenwarmem Klima besiedelt. Der Nachweis auf der Projektfläche bei Schauernheim ist erst der 4. Nachweis in Rheinland-Pfalz seit dem Erstfund im Jahr 2000 und der erste in einer Blühfläche. Bisher ist die Art in der Pfalz in sommerwarmen Lößgebieten an nicht übermäßig nährstoffreichen Böschungs- und Rainstrukturen der Agrarlandschaft gefunden worden. Auf Projektflächen des Pfalzmarktes konnte ausserdem die streng geschützte Große Schiefkopfschrecke (Ruspolia nitidula) nachgewiesen werden. Sie war über Jahrzehnte deutschlandweit nur aus dem Bodensee-Gebiet bekannt. Seit einiger Zeit breitet sie sich nach Norden aus und hat inzwischen die gesamte pfälzische Rheinebene besiedelt und kommt nun auch schon im Pfälzerwald und in Rheinhessen vor. Interessant ist, dass die Art offensichtlich auch in Blühflächen gehen kann. Das sind neue Erkenntnisse.
Fazit
Das innovative Konzept der Artenvielfaltsflächen ist erfolgreich: Zahlreiche Arten mit teils hohen Ansprüchen, oder von denen wenige Nachweise bekannt sind, nutzen die Projektflächen als (Teil-)Lebensraum. Im Gebiet liegen die Herkunftsflächen dieser Arten ganz überwiegend nicht in den Äckern, sondern in Zwischenflächen, an Strassenböschungen, Wegrändern und Gebüschen. Diese Strukturen sind meist schmal und können als Trittstein-Habitate genutzt werden. Die Projektflächen konzentrieren jedoch unterschiedliche Habitatstrukturen auf einer größeren Fläche, die zudem noch weniger von Randeinflüssen betroffen sind. Insgesamt stützen und vergrößern die Artenvielfalts-Flächen des Projekts „Pfalzmarkt schafft Artenvielfalt“ auf diese Weise die Populationen von im Gebiet bereits vorkommenden Arten. Zusätzlich können sie als Rückzugsflächen für manche Arten dienen, die aufgrund der hohen Dynamik und Intensität der Nutzung nomalerweise in Ackerflächen nicht oder nur zeitweise vorkommen.
Links mit Beiträgen zum Thema
Aktuelles
Wissenschaftliche Begleitung des Projekts
Wichtig sind in diesem Prozess der Dialog und die Vernetzung von Wissen! Der Erfolg der Maßnahmen wird daher über den gesamten Projektzeitraum wissenschaftlich begleitet und genau dokumentiert.
Die wissenschaftliche Leitung und mehrjährige Begleitung des Projekts leisten Ronald Burger (Institut für Faunistik und Funktionale Artenvielfalt, IFAUN) und Oliver Röller (Institut für Naturkunde in Südwestdeutschland, Natur Südwest).